Bisherige Erkenntnisse über den Venloer Grenzzwischenfall

Ferdinand Hoeren

Am 9. September 1939 kurz nach 15.00 Uhr überrollt ein SS-Kommando am Grenzübergang Herongen in Venlo die deutsch-niederländische Grenze zu den neutralen Niederlanden. Ihr Ziel ist der wenige hundert Meter entfernte Parkplatz hinter dem damaligen und heutigen Café Backus. Im Durcheinander auf dem Parkplatz findet ein heftiger Schußwechsel statt. Eine Person bricht zusammen.

Der Verletzte und zwei weitere Personen werden vom SS-Kommando eingeladen. Dann fährt das SS-Kommando wieder zurück über die Grenze nach Deutschland.

Der Verletzte ist der junge niederländische Generalstabsoffizier Leutnant Dirk Klop, Mitglied des niederländischen Geheimdienstes GS III A, den die Deutschen für den britischen Agenten Oberleutnant Copper hielten. Er stirbt noch am selben Tag , nachdem er ein Geständnis abgelegt hatte, an seinen Verletzungen. Die beiden anderen Männer sind die ranghöchsten Leiter des britischen Geheimdienstes Secret-Service (SIS) in den Niederlanden, Captain Sigismund Best und Major Richard Stevens. Beide bleiben bis Kriegsende in deutscher Haft.

Die drei westlichen Geheimdienstler hatten sich zu einem konspirativen Gespräch im Cafe-Backus mit den angeblichen deutschen Widerständlern gegen Hitler, Hauptmann Schemmel und Oberst Martini aus dem Oberkommando der Wehrmacht, verabredet. In Wirklichkeit war Schemmel der 29jährige, neuernannte Leiter der deutschen Abwehr für das Inland und Martini der Direktor der Psychiatrischen Abteilung der Charité, Prof. de Crinis, Reserveoffizier und SS-Mann.

Welche Bedeutung hat nun dieser Zwischenfall für die Theo-Hespers-Stiftung?Zum einen hatten die weitreichenden politischen Auswirkungen auch Folgen für den Widerstand. Zum anderen hatten Theo Hespers und sein Freund Dr. Hans Ebeling während dieser Zeit Kontakte zu den handelnden Personen.

Im Folgenden will ich den Gesamtablauf des Geschehens darstellen, soweit es mir gelungen ist, – diesen aus den Unterlagen unseres Archivs zu rekonstruieren.

Hans Ebeling nimmt sowohl in seiner Aussage gegenüber dem niederländischen Justiz­ministerium am 19.5.1949 als auch in seinem Lebenslauf vom 15.12.1965 Stellung zu dieser Affäre. Selma Meijer habe ihm erzählt, daß sie einen deutschen Emigranten, Dr. Franz Fischer, kennengelernt habe,. der einerseits über gute englischen Empfehlungen und andererseits über gute Verbindungen zum deutschen Reichsministerium verfüge. Fischer habe die Möglichkeit, einen Major des Reichsministeriums nach Amterdam kommen zu lassen, um dort mit Ebeling ein Gespräch zu führen. Ebeling bestand jedoch darauf, zuerst mit Fischer selbst zu sprechen. Im September 1939 treffen sich die beiden in Essen. Da Fischer so sehr mit seinen Beziehungen geprahlt habe und außerdem „zu gute“ englische Empfehlungen besitze, kam Ebeling zu dem Schluß, daß Fischer auf ihn angesetzt war. Ebeling hat daraufhin nicht weiter mit Fischer verhandelt und sowohl die übrigen Emigranten als auch die Niederländer gewarnt. Ein Treffen, das zwischen Selma Meijer, van den Burg und Verkade mit Fischer und dem Major vereinbart war, konnte – ohne Argwohn zu erzeugen – nicht mehr abgesagt werden. Ebeling rief deshalb Selma Meijer an und sagte ihr, sie müsse dafür sorgen, daß sich in Zukunft kein Niederländer mehr mit Fischer oder dem Major treffe. Außerdem hatte Ebeling über van den Burg erreicht, daß ein Mitglied des niederländischen Geheimdienstes bei dem Gespräch anwesend war. Zusätzlich hatte Ebeling den Herrn Brijnen, der in Kontakt zu Oberst Roosenboom vom GS 111 stand, vor Fischer und dem Major gewarnt. Gleichzeitig informierte Ebeling Dr. Markus van Blankenstein, der ihn kurz danach mit Major Stevens bekannt machte. Diesen warnte Ebeling auch und gab ihm Informationen über die Reichswehr und andere Organisationen in Deutschland.

Ebeling führt weiter aus, daß Theo Hespers, der dies alles auch wußte und häufiger Kontakt zu Stevens hatte als er, ihm gesagt habe, Stevens habe Kontakt zu Fischer aufgenommen.

Stevens bestätigt in seinen Vernehmungen vom 18.11., 21.11. und 10.12.1939 laut Protokoll des Reichssicherungshauptamtes, daß er sowohl Brijnen als auch im Dezember 1938 Ebeling und Hespers durch van Blankenstein kennnengelernt habe. Vor allem zu Hespers habe sich bei häufigeren Treffen ein engeres Verhältnis entwickelt.

Die Niederländerin Antonia Verhagen, die Sekretärinnenarbeit für Hespers leistete und vom September 1938 bis Mai 1939 bei der Familie Hespers gewohnt hat, machte nach ihrer Verhaftung beim Verhör im Reichsicherungshauptamt am 29.10.1940 folgende Aussagen. Weihnachten 1938 sei sie mit Hespers in London gewesen, wo er zu einer wichtigen Besprechung in einem Regierungsgebäude in der Downing-Street gegangen sei. Er habe ihr gesagt, daß er wöchentlich wichtige Persönlichkeiten in Utrecht, Amsterdam und Den Haag sowie in Wassenaar van Blankenstein treffe.Damit, so meine ich, ist eindeutig erwiesen, daß Ebeling und Hespers das Doppelspiel von Fischer durchschaut hatten und sowohl die niederländischen als auch die britischen Stellen in­formiert und gewarnt haben.

Walter Schellenberg, der letzte Geheimdienstchef unter Hitler und deutsche Drahtzieher im Venloer-Zwischenfall beschreibt die Affäre in seinen Memoiren. Heydrich habe ihm Mitte Oktober 1939 nach einem Abschlußbericht eine neue Aufgabe angetragen. In Holland laufe seit einiger Zeit eine interessante Agentenverbindung direkt zum Secret Service. Es sei die Zeit gekommen, sich zu entscheiden, ob man die Verbindung weiterbetreiben oder abbrechen solle. Schellenberg stellt sich der Aufgabe und besorgt sich die Akte beim Auslandsnachrichtendienst. Er stellt fest, daß seit einigen Jahren in den Niederlanden der deutsche Geheimagent F.479, ein Emigrant, der sich kurz nach seiner Auswanderung dem Nachrichtendienst angeboten hatte und identisch mit dem oben erwähnten Dr. Franz Fischer ist, erfolgreich arbeitete. F.479 hatte auch gute Kontakte zum französischen Geheimdienst, dem er irreführendes Material über die Münchener Viererkonferenz zugeleitet hatte, so daß Paris glaubte, Deutschland habe keine Kriegsabsicht mehr. Seine Kontakte zum britischen Geheimdienst nutzte F.479, um diesen mit Material über eine angebliche Oppositionsgruppe innerhalb der deutschen Wehrmacht zu versorgen. Nach dem Kriegsausbruch mit Polen, berichtet F.479, daß diese Gruppe ernsthaft den Sturz Hitlers vorbereite, was das besondere Interesse der Engländer erweckte, so daß sie auf eine Besprechung mit einem maßgeblichen Vertreter dieser Oppositionsgruppe warteten.

Der niederländische Historiker Bob de Graaff schreibt in seiner Abhandlung “ Die niederländische Grenzgebiete 1933 -1945: Anlaß für Zwischenfälle oder Objekte historigraphischer Vernachlässigung“, daß nach dem Polenfeldzug eine Reihe von Wehrmachtoffizieren besonders unter dem Eindruck der Greueltaten, welche die SS begangen hatten, vor neuen militärischen Abenteuern zurückschreckten. Sie befürchteten, da Hitler am 9. Oktober vor dem Oberkommando den baldigen Angriff auf den Westen angekündigt hatte, einen totalen Krieg. Dies habe zu einer Konspiration unter Offizieren innerhalb des deutschen militärischen Geheimdienstes geführt mit dem Ziel eines Staatsstreiches und der Kontaktaufnahme zum britischen Geheimdienst. Die britische Regierung sei auch nach der formellen Kriegserklärung an Deutschland für einen Vergleich offen gewesen. Der Sicherheitsdienst der NSDAP habe durch eine niederländische Untergrundagentin von den Friedensfühlern der deutschen Oppositionellen erfahren. Danach seien auf niederländischem Boden an die Stelle der echten Oppositionellen Leute des Sicherheitsdienstes der NSDAP getreten.

Schellenberg schreibt, daß er Heydrisch vorschlug, das Spiel fortzusetzen und bot sich an, nach Holland zu fahren. Schellenberg schlüpfte in die Rolle des Hauptmann Schemmel aus dem Ober­kommando der Wehrmacht. Da der wirkliche Hauptmann Schemmel weder von seinem Doppelgän­ger noch von diesem Spiel etwas wissen durfte, habe ihn Heydrich auf eine längere Dienstreise nach Osten geschickt. Schellenberg-Schemmel bereitet sich sowohl äußerlich als innerlich auf seine Rolle vor, lernt Namen und Sachzusammenhänge der deutschen Opposition auswendig und trägt ein Monokel. Außerdem bezieht er eine Haus des Geheimdienstes in Düsseldorf, damit er näher an der Grenze ist.

F.479 alias Dr. Franz Fischer kündigt den Hauptmann Schemmel an. Am 20. Oktober 1939 kommt die Antwort mit der Einladung für den nächsten Tag, den 21.Oktober 1939, nach Zutphen in Holland. Schellenberg-Schemmel nimmt einen Begleiter mit, der in den Sachverhalt eingeweiht ist. Am Treffpunkt werden sie von Captain Best, dem Chef des Secret Service in den Niederlanden, in einem Buik erwartet. Best ebenfalls Monokelträger steuert den Buik nach Arnheim, wo sich Major Stevens und Leutnant Copper zu ihnen gesellen. Schellenberg-Schemmel erklärt, es gebe eine starke Oppositionsgruppe unter höheren Offizieren. Oppositionsführer sei ein General, dessen Name er zu dieser Zeit noch nicht preisgeben dürfe. Ziel sei, Hitler gewaltsam zu beseitigen und eine neue Regierung zu bilden. Man wolle wissen, welche Haltung die britische Regierung gegenüber einer von der Wehrmacht kontrollierten Regierung einnehmen und welche Zusicherungen sie für einen Friedensvertrag geben werde. Die Briten erklären, daß ihre Regierung an einem Sturz Hitlers echtes Interesse habe und eine Kriegsausweitung vermeiden möchte. Dazu böte der britische Geheimdienst jegliche Hilfe an. Für politische Abmachungen seien sie jedoch nicht legitimiert, hofften jedoch, dies bis zur nächsten Zusammenkunft am 30. Oktober 1939 zu klären. Man erwarte allerdings, bei diesem Treffen den Oppositionsführer kennenzulernen. Schellenberg fuhr sofort durch nach Berlin zu Heydrich zum Rapport, bei dem man beschloß, das Spiel fortzusetzen. In den nächsten Tagen sprach Schellenberg dann mit Prof. de Crinis, die Rolle der „rechten Hand des Oppositionsführers“ als Oberst Martini zu übernehmen. Am 29.10.1939 brachen die beiden in Berlin auf in Richtung niederländische Grenze und waren pünktlich um 12.0o Uhr am 30. Oktober an der vereinbarten Kreuzung in Arnheim. Hier seien sie von den niederländischen Behörden zwar durch ein geschicktes Manöver aber erfolglos überprüft worden. Am Nachmittag erreichten sie die Dienststelle von Major Stevens in Den Haag und begannen mit den Verhandlungen. Man einigte sich auf folgende Punkte, die sogar schriftlich niedergelegt wurden: Beseitigung Hitlers und seiner engsten Mitarbeiter, sofortiger Friedensschluß mit den Westmächten, Wiederherstellung der österreichischen, tschechoslowakischen und polnischen Selbständigkeit, Aufgabe der deutschen Autarkie und Planwirtschaft und Rückkehr Deutschlands zum Goldstandard. Dafür boten die Briten die mögliche Rückgabe der ehemaligen deutschen Kolonien an. Stevens führte sofort ein 30-minütiges Gespräch mit dem englischen Außenminister Lord Halifax. Zum Abendessen traf man sich in der Privatwohnung von Best, wozu auch F.479 eingeladen war. Stevens erschien mit der zustimmenden Antwort aus London. Schellenberg-Schemmel schreibt:“ Aus der anschließenden Unterredung wurde mir klar, daß England den Krieg gegen Hitler als eine Sache auf Leben und Tod ansah und entschlossen war, ihn unter allen Opfern bis zum Ende durchzufechten.“

Am nächsten Morgen gab es eine weitere Besprechung in den Geschäftsräumen der holländischen Firma N. V.Handelsdienst voor het Continent im Nieuwe Uitleg 15 und enttarnte damit dieses Firma – als Büro des Secret Service. Dort erhielten die beiden Deutschen ein englisches Sende- und Emp­fangsgerät und man verabredete einen Geheimcode. Best begleitete seine Gäste noch bis zur Grenze.

Nun wurde hin- und hergefunkt. Die Engländer fragten dreimal nach einem neuen Besprechungs­termin. Heydrich wollte nicht mehr so recht, Schellenberg allerdings doch, weil er sich noch mehr von der Sache erhoffte. Er wartete vergeblich in Düsseldorf auf eine Weisung aus Berlin und handelte schließlich, als die Gefahr drohte, daß der Faden abriß, auf eigene Faust.

Er traf sich am 7.11.1939 gegen 14.0o Uhr im Café Backus mit Stevens und Best. Dort versicherte er ihnen, daß der deutsche Oppositionsführer schon in den nächsten Tagen mit ihm kommen werde, um zu direkten Verhandlungen nach London zu fliegen. Die Engländer sorgten dafür, daß ab dem nächsten Tag auf dem Flugplatz Schiphol eine Sondermaaschine bereitstand. Zurück in Düsseldorf habe er auf Rückfrage in Berlin noch immer kein Zusage bekommen und für den nächsten Tag, den 8. 11. im Café Backus ein weiteres Treffen arrangiert. Schellenberg-Schemmel teilte Stevens und Best mit, die Opposition wolle abwarten, wie die Reichregierung in den nächsten Tagen auf die Vermittlungsaktionen der holländischen Königin und des belgischen Königs zur Friedensstiftung reagieren werde, die an diesem Tag bekannt geworden waren.

Bis zu diesem Punkt hätte man das ganze Spiel noch als Komödie betrachten können, wie sie in Geheimdienstkreisen immer wieder vorkommt.

Aber genau an diesem 8.11.1939 abends um 20.00 Uhr explodiert im Münchener Bürgerbräu­Keller eine Bombe. Hitler hatte nach einer Ansprache das Lokal kurz vorher verlassen und entkam dadurch dem Attentat. Einige alte Parteigenossen wurden getötet. Die Duplizität der Ereignisse setzt nun eine Kettenreaktion in Gang. Zwei Geheimdienste ziehen falsche Schlüsse. Der Secret Service glaubt, die Opposition Schemmel-Martini stecke dahinter; Hitler und die deutsche Abwehr sind davon überzeugt, der Secret Service sei verantwortlich.

Schellenberg wird auf Befehl Hitlers von Himmler angerufen, informiert und erhält den Auftrag, zusammen mit dem Leiter des SS-Sonderkommandos, das zu seiner Unterstützung abgeordnet ist, die englischen Gegenspieler unverzüglich am Verhandlungsort zu arretieren und lebend nach Deutschland zu bringen. Der Leiter des SS-Sonderkommandos ist der richtige Mann dafür. Es ist Naujoks, der im August desselben Jahres den fingierten Anschlag auf den Gleiwitzer Sender geleitet hatte und dabei Hitler die Leiche eines polnischen Agenten lieferte. Das war dann für Hitler die öffentliche Begründung für den Einmarsch nach Polen.

Schellenberg-Schemmel verabredet mit Stevens und Best für den folgenden Tag, den 9.11.1939, um 15.0o Uhr das nächste Treffen im Café Backus. Er fährt mit seinem Begleiter wie immer über die Grenze zum Café, bestellt einen Aperitif und wartet auf Stevens, Best und Copper, der in Wirklichkeit ja der niederländische Generalstabsoffizier Dirk Klop ist. Derweil lauert Naujoks mit seinem SS-Rollkommando hinter dem Schlagbaum und wartet auf das Zeichen von Schellenberg­Schemmel. Als die westlichen Geheimdienstler in ihrem Buik auf dem Parkplatz ankommen, tritt Schellenberg-Schemmel vor das Café und gibt das mit Naujoks verabredete Zeichen. Jetzt ist alles – wie eingangs geschildert – in Minuten vorbei. Copper wird auf dem Weg nach Düsseldorf durch sein Geständnis als niederländischer Offizier enttarnt. Er wird um 18.o5 Uhr als Toter in den Opera­tionssaal des Evangelischen Krankenhauses in Düsseldorf gebracht. Stevens und Best kamen zunächst in das KZ Sachsenhausen und dann im April 1945 auf Anordnung Himmlers wurde Captain Best zum KZ Dachau überstellt, wo auch der wirkliche Bombenleger vom Bürgerbräu­Keller saß, nämlich Elser. Dieser wurde auf oberste Weisung während eines Bombenangriffs „tödlich verletzt“, nämlich ermordet. Best schrieb nach der Befreiung ebenfalls seine Memoiren.

Die holländischen Behörden baten wenige Tage nach dem Überfall die Deutschen um Überführung der Leiche ihres Offiziers. Hitler jubelte vor dem Generalstab:“ Dies ist eine ihrer größten Dummheiten. Zur gegebenen Zeit werde ich alles dies ausnutzen und motivieren.“ Und so kam es tatsächlich.

Am Vorabend von Hitlers militärischem Überfall auf die neutralen Niederlande benutzte Hitler den Venlo-Überfall in einer Note an die Niederländische Regierung. mit der er seinen Einmarsch motivierte: „Die Niederlande … haben sich dazu hergegeben, unter flagrantester Verletzung ihrer primitivsten Neutralitätspflichten, die Versuche des englischen Secret Service zur Herbeiführung einer Revolution in Deutschland zu unterstützen. Die … gebildete Organisation hatte nichts anderes zum Ziel, als die Beseitigung des Führers und der Reichsregierung mit allen Mitteln“.

Die deutsche Abwehr hatte für Hitler mit dieser Affäre drei Ziele erreicht:
1. Noch vor seinem Einmarsch in Holland hatte er den Secret Service in Holland ausgeschaltet.
2. Hitler hatte mit Stevens und Best gegenüber England ein Faustpfand.
3. Hitler hatte ein Motiv für seinen Überfall auf Holland.

Doch der Venloer Zwischenfall hatte noch eine andere Folgeseite. Die britische Seite brach alle Bemühungen in anderen europäischen Städten ab, einen Weltkrieg zu vermeiden. Winsten Churchill, Erster Seelord im britischen Kabinett, der sich von Premierminister Chamberläin und Außenminister Halifax hatte überreden lassen, diesen Verhandlungen zuzustimmen, verweigerte seitdem jeglichen Kontakt zur deutschen Opposition, da er davon überzeugt war, da dies nach seiner Meinung nur zu britischen Opfern führen werde. Bob de Graaff schreibt: „Einer der Chefs des britischen Geheimdienstes M 16, der von London aus die Operation von Best und Stevens geleitet hatte, lehnte von nun an jeden Nachrichtenaustausch mit deutschen Emigranten ab, da die Informationen seiner Ansicht nach doch bei der Gestapo landeten. Der Venlo-Vorfall trug so zu einer Verhärtung des britischen Standpunktes bei, die einen Vergleich mit einer möglichen deutschen Opposition ausschloß. Seitdem war für die Alliierten nur noch eine totale Niederlage akzeptabel. Die Hoffnung auf `das andere Deutschland` hatte man aufgegeben.“

Der Venloer Zwischenfall, der im Vorfeld wie eine Geheimdienst-Komödie verlief, entwickelte sich durch das gleichzeitige Attentat auf Hitler sprunghaft zu einem Drama mit weitreichenden Folgen. Dies hätte vielleicht verhindert werden können, hätte man auf die Warnungen von Hans Ebeling und Theo Hespers gehört.

PDF-Download